Henning Helmhusen

 

Ein anderes Wetter ist möglich

 


Sonntagsdemos gegen den verregneten Sommer gehen weiter




Die Kritik am Wetter ist so alt wie die Menschheit. Wohl jeder kennt aus seinem Bekanntenkreis Sprüche wie "so ein Sauwetter" oder "das ist ja überhaupt kein richtiger Sommer". Aber bis vor kurzem verhallten derartige Äußerungen des Volkszorns ungehört. Das Wetter nahm seinen Lauf. Und der deutsche Michel beruhigte sein Gewissen, daß er daran sowieso nichts ändern kann. 
 

Doch nun tut sich etwas. Eine neue soziale Bewegung nimmt das Land im Sturm ein: die Wetterbewegung. Ihre Hauptforderung: Die Bürger sollen das Wetter nicht mehr einfach hinnehmen, sondern demokratisch selbst gestalten. Schließlich gebe es Alternativen zum herrschenden Wetter-Regime. Dazu verweist Pfarrer Bremse, einer der Organisatoren der Sonntagsdemos in Regensburg, auf die Vergangenheit. "Sogar beim Kaiser gab es Kaiserwetter. Wir sind heute gesellschaftlich viel weiter. Und da soll das etwa nicht gehen?" 


Er steht mit seiner Meinung nicht alleine, denn mittlerweile haben sich Millionen den Protesten angeschlossen, die im Großen und Ganzen friedlich verlaufen. Es gibt allerdings Ausnahmen wie die Zerstörung von Wetterhäuschen durch radikale Antimeteorologen, von denen sich die Wetterbewegung aber bei allem Wohlwollen auf das entschiedenste distanziert: "Wir sind keine Wetterfeinde, wir sind Wetterskeptiker. Unser Ziel ist ein anderes Wetter. Die Gewalt haben nicht die zu verantworten, die das als einzige Möglichkeit sehen, ihre Ohnmacht auszudrücken, sondern die, die den berechtigten Forderungen nicht schnell genug nachkommen."
 

Für Kanzler Schröder ist die Wetterbewegung zu einem ernsten Problem geworden. Hatte er sich noch bei den letzten Wahlen im Protest gegen die vom Wetter angerichteten Überschwemmungen gesonnt, so hat der Wind nun gedreht. Selbst seine Ankündigung, bald wieder eine Schön-Wetter-Politik zu machen, ja sogar DGB-Chef Sommer zum Bundeswetterbeauftragten zu ernennen, wurden von der Wetterbewegung kritisch kommentiert. Besonders übel wird vielen heute Regierenden dabei angekreidet, daß sie noch 1968 unter der Parole "alle reden vom Wetter, wir nicht" angetreten sind. 


Selbstverständlich versuchen auch extreme Parteien die neue Volksbewegung für sich zu vereinnahmen. So verweist die PDS darauf, daß Regen bislang unter dem Kapitalismus vorgekommen ist und eine Lösung des Problems deshalb erst von einer umfassenden gesellschaftlichen Umgestaltung zu erwarten sei. Wesentlich populistischer hier die NPD, die Ressentiments gegen ausländische Wolken schürt. Diese kämen völlig ungehindert über die Grenzen und zerstörten "unser deutsches Wetter".
 

Aber die Wut im Volk ist trotzdem echt und ehrlich. Und so ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Politik hier aktiv werden muß. Um genügend Druck von der Basis für gutes Wetter aufzubauen, sollen die Sonntagsdemos deshalb vorerst weitergehen und sogar ausgebaut werden. Wie die Organisatoren ankündigen, läuft alles auf einen "heißen Herbst" hinaus. Als unvoreingenommener Journalist kann man da nur zu massenhafter Teilnahme aufrufen.
 
Kolumnen <------------------------